NO REGRETS
Ich bereue nichts. Viele Menschen bilden sich ein, dieses Mantra zu leben. Es ist wahnsinnig schnell daher gesagt. Wenn wir ehrlich sind, bereuen die meisten Menschen in ihrem Leben ziemlich viel. Beinah durchgehend. Weil sie das Haus fünf Minuten zu spät verlassen haben und die Bahn verpassen. Weil sie beim Mittagssnack zum Kuchenstück und nicht zum Salat greifen. Weil sie wider ihrer guten Vorsätze doch zu viel Geld für Unsinniges ausgeben. Die kleinen Sünden im Alltag bereuen wir meist innerhalb von Sekunden. Und vergessen genauso schnell. No regrets? Für manche eine Lebenseinstellung, die unüberlegte Handlungen legitimieren soll. Ein bisschen mehr Wagemut und weniger Vorsicht. Die Augen vor möglichen Konsequenzen zu verschließen, hat etwas Befreiendes. Einfach machen. Die Leichtigkeit des Seins in den täglichen Alltagsstress integrieren. Das kann so schwer ja nicht sein. Und wenn etwas schief läuft? Bloß nicht zu viel negative Energie entstehen lassen, denn morgen oder übermorgen scheint uns die Sonne mit voller Strahlkraft wieder aus dem Allerwertesten.
Richtige Reue fühlt sich anders an. Etwas bereuen bedeutet nicht, es nach bereits wenigen Tagen ad acta legen zu können. Reue geht nicht mit einem gefühlt erträglich schlechten Gewissen oder guten Vorsätzen à la „Ich gelobe Besserung“ einher. Richtige Reue tut einfach weh. Ich habe sie in meinem Leben bisher zweimal erlebt. Sie fühlt sich an, als würden sich schlimmster Trennungsschmerz, Schuldgefühle und Selbstzweifel auf einen dreckigen Mindfuck treffen. Sie zwingt einen sprichwörtlich in die Knie. Und sie lässt einen auch Jahre später nicht los.
Das erste Mal Reue empfunden habe ich, als ich jemanden bewusst auf eine unaussprechlich grausame Weise verletzt habe. Aus einer persönlichen und unbedeutenden Abneigung heraus. Mir war nicht klar, wie anmaßend ich in diesem Moment handelte. In Bruchteilen von Sekunden wurde mir die Grenzüberschreitung bewusst und ich erschrak vor mir selbst. So viel Niedertracht. Der Tag endete heulend unter der Dusche, betend zu Gott und das obwohl ich nicht einmal gläubig bin. Ich bat einhundert Mal um Verzeihung. Das zweite Mal bereut habe ich, weil ich einem geliebten Menschen nicht die Wertschätzung zu Teil werden ließ, die er verdient hat. Ich habe in die traurigsten Augen geblickt und in ein unendlich enttäuschtes Gesicht gesehen. Das drückt schon ziemlich in der Brust. Ich war jung und dumm, habe mich von anderen beeinflussen lassen und nicht auf mein Bauchgefühl gehört. Ich hatte übrigens keine Gelegenheit mehr, diesen Fehler wieder gut zu machen. Die Person verstarb wenige Monate später. Ich denke noch häufig an diese Situation zurück.
Etwas, das man wirklich bereut, das vergisst man nicht. Man verzeiht sich nicht. Doch man kann daraus lernen. Entwickelt Achtsamkeit. Ermahnt euch selbst, anderen mit Respekt und Wohlwollen zu begegnen. Lasst euch nicht von negativen Gefühlen leiten. Behandelt eure Mitmenschen so, wie auch ihr behandelt werden möchtet. Ignoriert nicht, wenn ihr einen Fehler gemacht habt. Bittet andere aufrichtig um Verzeihung. Und seid nicht zu hart zu euch selbst. Es ist in Ordnung zu bereuen. Es macht euch zu einem besseren und wertvollen Menschen.
Hallo Mia,
ich gehöre tatsächlich eher zu den wagemutigen Menschen und in vieler Hinsicht lebe ich nach dem Prinzip, dass man mehr Leben muss, anstatt nur da zu sein. Dennoch gibt es natürlich auch Situationen die ich bereue, oder eine lange Zeit mit mir herum trage, aber ein Leben lang wohl nicht. Am Ende ist es doch so, dass wir nicht die Dinge bereuen, die wir getan, sondern die, die wir nicht getan haben. Was nicht heißen soll, dass mir nie etwas leid tut.
liebe Grüße
Rebecca