Mein liebes Tagebuch…
Dieses Jahr habe ich wieder damit begonnen, ein Tagebuch zu führen. Im Alter von elf bis sechszehn Jahren war das Verfassen täglicher Einträge wie ein allabendliches Ritual für mich. Während meines Studienabschlusses gab es erneut eine Zeit, in der ich in ein Journal schrieb. Mir ging es nicht sehr gut und das Schreiben half mir einfach. Ich hatte schon immer einen starken Bezug zum geschriebenen Wort. Manchmal ist der Alltag turbulent, man fühlt sich getrieben, die Wochen und Monate vergehen und man kann sich kaum daran erinnern, was man vor drei Wochen Freitagabend erlebt hat. Natürlich sollte man nicht in der Vergangenheit leben, darum geht es mir auch nicht. Ein entschleunigender Akt wie das Schreiben hilft jedoch, sich zu sammeln. Nochmal darüber nachzudenken, was einen bewegt hat. Schöne Erinnerungen festzuhalten und weniger schöne Erlebnisse für sich besser einzuordnen. Und das möglichst ungefiltert.
Mein erstes Tagebuch war Pink. Knallpinke Seiten, Hardcover, mit einem Einband aus fortlaufenden Herzen in Pink-Metallic. Mehr Girly Girl geht nicht. Und das obwohl ich Pink damals nicht einmal mochte. Mein zweites Tagebuch war Jeansblau, im typischen Style der 90’s, wie man es von Kuschelrock-Covern kennt. Er in derben Boots und geöffnetem Flanellhemd mit Sixpack und sie halb bekleidet in Mom Jeans und BH zärtlich an ihn gelehnt. Wallende Locken, die unschuldige Liebe zwischen zwei perfekten Menschen mit perfekten Körpern. Eine aus dem Alltag gegriffene, kitschige Schwarzweißfotografie eingebunden in eine Collage von unterschiedlichen Denim-Blautönen. Wunderschön. Danach folgten andere Exemplare in Schwarz, Lila und Grün. Inklusive eines geschmackvollen Diddl-Ausreißers. In diese Abgründe möchte ich jetzt jedoch nicht weiter vordringen. Den ersten Eintrag überhaupt, will ich euch dagegen nicht vorenthalten.
„Heute Morgen war Frau Binder ja eigendlich ganz nett. Doch das änderte sich schnell! Als Aida, Steffi und ich die Hausi nicht gemacht haben, da wurde sie närrisch und motzte: „Das hattet ihr doch schon seid 2 Tagen auf, wie konntet – ihr das den vergessen. So mußten wir Nachsitzen“ (31. 03. 1995)
Ihr merkt, Interpunktion und Rechtschreibung passen zu einer Viertklässlerin. Das Wort Hausi, Gott – ich schäme mich ja schon ein bisschen. Meine Einträge waren meist kürzer, wie man fünf Jahre später noch merkt.
„Ich bin ja so verliebt! Er hat teilweise rote Haare, geht in die 10a und ist ca. 1,80 cm groß. Ich bin richtig hin und weg. Ich muss ihn bekommen, egal wie. Nicht wie bei den anderen.“ (05.04.2000)
Ich kann mich noch an diese Verliebtheit erinnern, die rückblickend vielleicht sechs Wochen gedauert hat. Es gab einmal eine Rückfahrt im übervollen Schulbus und wir standen eng an eng. Ich konnte ihn nicht ansehen und bin vor Schmetterlingen im Bauch fast gestorben. Eine kurze Zeit später war das vorbei. Gesagt habe ich nie etwas. Ich war unendlich schüchtern und habe ihn mir stattdessen aus dem Kopf geschlagen. Schwärmereien sind mit Sechszehn in meinen Augen auch normal. Drei Jahre später hat er mich auf einer Party angesprochen.
Heute sind meine Einträge deutlich länger und auch etwas substantieller. Wir wollen allerdings nicht übertreiben – ich rege mich nach wie vor auch unreflektiert über völlig sinnlosen Kram auf. Wirklich intime Gedanken habe ich damals nicht verewigt. Ich hatte Sorge, dass meine Mutter oder mein Bruder die Dreistheit besitzen könnten, diese ungefragt zu lesen. Eine vermutlich normal-paranoide Vorstellung, die man als Jugendliche so hat. Trotzdem mag ich meine alten Tagebücher sehr gern. Einfach, weil sie wichtige Erinnerungen und meine damalige Gedankenwelt bündeln. Und mich einer Zeit, Personen und auch Gefühlen näher bringen, die teilweise nicht mehr in mein Leben gehören. Irgendwie erdet mich das. Ein Zustand, der in unserer schnelllebigen Zeit nicht leicht zu erreichen ist. Und das finde ich schön!
Wie geht es euch? Wer von euch hat früher einmal Tagebuch geschrieben oder tut es mir gleich?
Ein sehr schöner Post, der Erinnerungen an meine ersten Tagebücher, aber auch an das Tagebuch meines Auslandsjahres erinnert! Da werde ich schon gleich wieder etwas wehütig… :-)
wehmütig * ;)
Wobei ja auch Wehmut ein sehr schönes Gefühl sein kann. Ich bin überhaupt sehr gerne sehnsüchtig. :D Danke dir für deine lieben Worte!
Oh ein schöner Beitrag. Ich habe früher auch ein Tagebuch gehabt und habe echt Einträge geschrieben wie: Um 7:35 Uhr Bin ich aufgestanden. Schule ging bis 12.15. Um 14 Uhr Bin ich ins Ballett…Das war mehr eine akurate Auflistung ller Tätigkeiten des Tages. Nur wenig persönliches. Vor kurzem habe ich begonnen ein Ernährungstagebuch zu führen. Nicht was ich gegessen habe sondern mehr wie es mir damit geht. Gestern wurde DS plötzlich sehr viel mehr, als ich vom Tod einer Schulfreundin erfahren habe. Da hat es sehr gut getan mehr rein zu schreiben….
Das tut mir sehr leid. Ich hatte im letzten Jahr zwei solcher Erlebnisse – das ist immer belastend. :( Von daher kann ich verstehen, dass du einfach mehr schreiben musstest und wolltest, als es vielleicht sonst der Fall ist.
Ernährungs- und Reisetagebücher habe ich auch geschrieben. Das ist wirklich mehr wie ein Logbuch für mich, da spielt wenig Persönliches mit ein. In meine richtigen Tagebücher habe ich allerdings auch immer wieder Uhrzeiten niedergeschrieben. Das finde ich eigentlich auch ganz reizvoll, weil der Moment noch konkreter wird. :)
Liebe Grüße an dich! <3
Wie lustig; ich habe mir gerade auch wieder eine Kladde gekauft, um Tagebuch zu führen. Früher habe ich das immer getan, aber eher phasenweise…neben den obligatorischen Briefbüchern mit Freundinnen oder den Briefen an Brieffreunden, blieb nicht immer genügend Zeit oder Lust…oder das Alter. Eigentlich schade, dass ich da nie so konsequent war…ich freue mich immer, wenn ich nostalgisch zu den alten Büchern greife und lese, was ich damals so gedacht und gefühlt habe. Man vergisst viel zu viel!
Ahhh, ich erinnere mich dass ich auch Briefbücher geschrieben habe. Also eines mit einer Freundin, die es theoretisch zuletzt hatte. :)
Ich kann dir in jedem Fall nachempfinden, ich denke auch dass man viel zu viel vergisst.
Hier, ich schreibe auch Tagebuch und das witzigerweise auch nach langjähriger Pause erst seit Kurzem wieder! :) Mein erstes Tagebuch hatte ich auch in der Grundschule, es folgten viele quadratische Exemplare mit Vorhängeschloss, später dann auch ohne. Herrlich, die eigene Kindheit und Jugend nochmal Revue passieren lassen zu können, man vergisst ja leider doch so viel. Ich habe früher die Seiten auch sehr akribisch mit Dingen wie Kinokarten, Quittungen von Mädelsabenden etc. gefüllt, das ist alles ziemlich gut dokumentiert. :D Heute ist das abendliche Schreiben für mich eher als Abschluss des Tages gedacht, um ohne Grübeleien ins Bett zu gehen – und gleichzeitig als Achtsamkeitsritual zur Erhaltung der Freude über die kleinen schönen Momente des Alltags.
Liebe Grüße
Ida
Dein Tagebuch dokumentiert also richtig, was in Leben und Alltag passiert? Das finde ich sehr spannend! „Das abendliche Schreiben für mich eher als Abschluss des Tages gedacht, um ohne Grübeleien ins Bett zu gehen – und gleichzeitig als Achtsamkeitsritual zur Erhaltung der Freude über die kleinen schönen Momente des Alltags.“ Ida, schöner kann man es kaum sagen! Wunderbar!
:)
Hehe! Du weißt natürlich besser als andere, um was es geht…huh? :)
Tagebuch schreiben ist wirklich schön :) habe ich auch mal gemacht und blättere gerne dadurch :) aber mittlerweile schaffe ich es irgendwie nicht mehr. Auch wenn es wirklich mal wieder schön wäre.
Die Zeit ist oft ein Hindernis, ich kenne das. Man hat viel zu tun oder lässt sich leicht ablenken. Vielleicht ist ein Eintrag pro Woche eine Idee? :)
Ich habe früher auch Tagebuch geschrieben. Abends im Bett teilweise mit Taschenlampe. Was ich da alles rein geschrieben habe. :D Bis ins kleinste Detail, wenn mich mein aktueller Schwarm tatsächlich mal angesehen hat. Hoffentlich gerät das nie in Falsche Hände. ^^
Awwwwr, das finde ich herzallerliebst! Den Gedanken habe ich manchmal auch. Einmal habe ich schlimm geschwärmt. Damn, gefährlich bloßstellend. xD
Ich habe früher auch regelmäßig Tagebuch geführt, so ca. von 2000 bis 2003, in meiner pubertären Hochphase. Habe es letztens erst wieder hervorgekramt und konnte mir beim Lesen über meine unnahbaren Teenie-Schwärme das Schmunzeln nicht verkneifen. Ich hatte ein schwarz-balues Hardcover-Notivbuch im Pollock Style. Heute schreibe ich ab und zu noch auf was mich bewegt und was ich erlebt, aber dann eher auf dem PC. Aber wenn ich deinen Beitrag so lese, bekomme ich richtig Lust, wieder mit dem Tagebuchschreiben zu beginnen. Liebe Grüße aus dem sonnigen Berlin <3