Shitstorm #flirtennachbravo
Dass ich die Bravo gelesen habe, ist schon viele Jahre her. Die Zeitschrift hat für mich als Teenager große Bedeutung gehabt. Ob die klassische Bravo, die Bravo Girl, Mädchen oder Sugar – jede Woche habe ich den Zeitschriftenhändler in unserem Dorf besucht, um mir Donnerstags die Neuerscheinungen abzuholen. Ich schenkte den Stars aus Musik und Film, neuen Make-Up Tipps, der kitschigen Fotolovestory, Dr. Sommer oder Klebetattoos über Jahre sehr viel Fanliebe und Aufmerksamkeit. Ich habe diesen Abschnitt meines Lebens wie beinah jede/r Jugendliche zelebriert. Die Wände meines Zimmers waren bis unter die Decke mit Postern gepflastert. Ein besonders dickes Zahnspangen-Lächeln ernteten Artikel über die Backstreet Boys oder Specials über Jack und Rose aus Titanic.
Ich kann mich erinnern, wie mir die Ratschläge von Dr. Sommer häufig die Unsicherheit nahmen. Natürlich hatten wir den Part mit der Aufklärung im Biologieunterricht, doch war mir das damals viel zu peinlich, als dass ich je Fragen dazu gestellt hätte. Die vielen anderen Mädchen und Kerle in meinem Alter schrieben jedoch an Margit Tetz vom Dr. Sommer-Team. Themen wie die Periode, richtiges Küssen, Flirten, der erste Sex oder vorzeitiger Samenerguss füllten diese Seiten der Bravo Woche für Woche. Ich kann wohl von Glück reden, dass ich heute keine dreizehn Jahre alt bin. Margit gibt es nämlich nicht mehr. Dafür jedoch Ratgeber wie „So fällst du Jungs auf: 100 Tipps für eine Hammer-Ausstrahlung!“ inklusive angehängtem Shitstorm. Weshalb die Aufregung?
Mädels mit zwölf oder dreizehn Jahren, bitte rasiert regelmäßig Beine und Achseln. „Girls, die sich gut pflegen, wirken sexy auf Jungs.“ Girlwangen (what the f…?!) strahlen besonders schön mit Rouge. Schminke dich wenn möglich jeden Tag anders und vergiss in keinem Fall die Mascara. Du musst nämlich reifer wirken, um fuckable zu sein. Mach‘ einen auf Tollpatsch à la Anastasia Steele oder doch besser gleich auf sexy und unnahbar. Sei immer gut gelaunt (und in keinem Fall du selbst) und versuche, ihm möglichst unterwürfig-unemanzipiert und debil in die Augen zu schauen. Haut zeigen ist immer von Vorteil, doch bitte nicht zuviel. Jungs mögen es nämlich sexy, nicht schlampenhaft. Aufreizend zerrissene Jeans sind jedoch ein Must-Have, denn kleine Kinder wirken nicht „extrem sexy“ genug und sind damit – ich wiederhole mich – einfach nicht fuckable. Und um den Seximus made in 1957 final ad absurdum zu führen, wird einem schließlich dazu geraten, man selbst zu sein.
Wirklich überzeugend. Die „wichtigste Ausstrahlungsregel“, die mit Authentizität, Selbstvertrauen und Persönlichkeit punkten möchte, schafft es doch tatsächlich, 1% des Ratgebers zu füllen. Die übrigen Tipps verteilen sich gekonnt widersprüchlich auf „nutze deinen mädchenhaften Charme und spiele gleichzeitig die unnahbare Schöne“. Als junges Mädchen wird man heutzutage schon viel zu früh an bestimmte Belange eines vermeintlichen Erwachsenseins herangeführt. Wieso sollte man sich mit dreizehn oder vierzehn Jahren Gedanken darüber machen, ob man zu viele Kuscheltiere am Rucksack befestigt, ob man zwei Tage hintereinander einen Pferdeschwanz trägt oder zu schüchtern ist, um auf einen Jungen sexy zu wirken? Auf schäbige Weise werden Außenwirkung und Selbstbewusstsein der Heranwachsenden vorrangig mit optischen Reizen verknüpft. Chapeau für soviel fragwürdige Pädagogik!
Und wenn das Mädel nicht dreizehn, sondern fünfzehn oder sechszehn ist? Tja, dann geht sie in manchen Fällen schon als fünfundzwanzig durch. Ist euch schon einmal aufgefallen, dass bereits sehr junge Mädels unglaublich tief in den Schminktopf greifen, mit Vorliebe knallenge Skinny Jeans und hohe Hacken tragen? Lauter kleine Abziehbildchen, Fashionistas mit einem stereotypen Kleidungsstil und Vorbildern wie Kim Kardashian, Kylie Jenner oder Pia Mia. Möglichst jung bereits möglichst fuckable zu sein, ist tatsächlich Trend. Eifere deinem liebsten Celebrity nach und schminke dir dickere Kylie Jenner Lips für mehr Popularität. Schlank, schön, beliebt und geliebt. Schade nur, dass die Persönlichkeitsbildung durch so einen Bullshit nicht gerade gefördert wird. Und schade, dass die Bravo das unterstützt. Vielleicht sollte das Magazin über seine Ausrichtung nachdenken bzw. die Arbeitsverträge mancher Redakteure nochmals prüfen.
Ich habe den Artikel auch gelesen (weiß im Moment gar nicht mehr wo) und mich sehr aufgeregt. Was für ein Frauenbild soll das sein? Wie kann man jungen Mädchen solche Tipps geben? Super, dass du das hier aufgreifst.
Viele liebe Grüße
Ich finde den „Ratgeber“ ernsthaft erschreckend. Die Bravo hat von allen Seiten dafür richtig einen auf den Deckel bekommen. Verdient, anders kann man das nicht sagen. :D
Liebe Grüße!
Gut zusammengefasst. Ich komme mir beinahe schon spießiger vor, als meine Mutter damals, die es gar nicht gut finden konnte, wenn ich mich mit 14 für Partys schon etwas geschminkt hatte.Glitzer, glitzer und so.
Allerdings muss ich doch sagen, dass damals in den Zeitschriften nicht viel anderes drinstand – ich kann mich jedenfalls gut an angeratene rosa-rouge-Wangen, blaue Mascara und Tipps für sexy Mode erinnern.
Für mich als Dorfkind waren die schon total erwachsen wirkenden Models immer irgendwie Menschen vom anderen Stern – ich habe mich also nicht wirklich beeinflussen lassen von dem ganzen Quatsch.
Aber was ich wirklich krass finde: Damals gab es immer eine klare Abgrenzung zwischen Teens und Twens. Auch wir als Teenies haben uns damals aufgebretzelt und sicher auch mal die Pumps rausgeholt. Aber was die Kids heute so tragen unterscheidet sich tatsache nicht mehr von den Erwachsenenstyles. Das gibt mir echt zu denken.
Da stimme ich dir zu. Ich kann das Alter junger Frauen oft nur ganz schlecht einschätzen. Manchmal sehe ich ein Mädel von hinten an der Fußgängerampel und denke, dass sie sich schön kleidet und nehme an, dass sie etwa in meinem Alter sein könnte. Stehe ich neben ihr, sehe ich die sehr jungen Gesichtszüge, meist zuviel Kajal und eine Zahnspange. Wie oft ich da schon überrascht wurde, kann ich eigentlich nicht zählen… :) Was motiviert einen dazu? Ich verstehe das nicht zu Gänze, wirklich.
Greetz!
Danke!
Ich habe schon lange nicht mehr soviel gequirlte Kacke gelesen, wie in besagten Artikel. Gehört eigentlich unter die Rubrik „Jugend gefährdende Schriften.“
Das unterschreibe ich! Ich frage mich, wann sich die Zeitschrift so verändert hat? Ich habe den Wandel nicht bewusst mitbekommen…
Liebe Grüße!
Im Endeffekt (außer natürlich, dass es in diesem Fall nicht angebracht ist, weil Kinder (!) sich mM nach NICHT auf diese Weise mit ihrem Äußerem beschäftigen sollten) führt dieser verlinkte Artikel aber nur in einer anderen Altersgruppe weiter, was Tausende Frauenzeitschriften uns „Großen“ einimpfen wollen: Sei schön und manipulativ/berechnend.
Mit dem kleinen Unterschied, dass eine erwachsene Frau (…und ohne jemanden angreifen zu wollen, dass sind wir nicht unbedingt, wenn wir 18 werden… auch da ist man noch sehr „klein“ und angreifbar ;) dies wahrscheinlich wenigstens wahrnimmt. Mädchen durchschauen diese ganze Maschinerie der Mode- und Makeupwelt, diese ganzen Diktate, wie man sein soll, oft noch nicht. Bin auch der Meinung, dass der verlinkte Artikel ggf. gefährdend ist.
Man kann nur hoffen, dass die Mädchen eine starke Mama haben, die ihnen etwas anderes vorlebt!
Nichts gegen Mode, Makeup, Schönheit. (Sonst würde ich ja auch hier nicht lesen :). Aber eben: Seine eigene individuelle Schönheit finden und unterstreichen. Verstehen, dass es schöne dünne, dicke, blonde, schwarzhaarige, kleine, große (… etc.) Frauen gibt. Und im Kindesalter noch spielen zu dürfen und Kind sein zu dürfen, statt fälschlicherweise etwas zu sein, was man vom Alter her einfach noch nicht ist.
Auch ich habe mit 14 zwar Mamas Nagellack ausprobiert, aber mir ist eben auch jemand auf die „Füße getreten“, wenn ich es zB outfitmäßig für ein Kind/junges Mädchen einfach übertrieben habe. Erzieherisch für Eltern aber sicher eine schwere Aufgabe, in dem Alter Vorbild zu sein, Grenzen zu setzen und gleichzeitig die Kinder/Heranwachsenden frei zu lassen….denke ich.
Word! Ich denke auch, dass man sich den schönen Dingen zuwenden kann, solange man sich nicht die falschen Vorbilder sucht. :( Man sollte vor allem auf sich schauen, nicht zu sehr vergleichen und entsprechend des Alters und der persönlichen Reife entscheiden, welche Looks und welches Verhalten tatsächlich schon angebracht sind. :) Gott, das klingt jetzt fast ein bisschen spießig. Oo
Liebe Grüße!