Euro Fashion Award
Vor einigen Wochen habe ich in Görlitz den Euro Fashion Award besucht. Dieser fand zum ersten Mal statt und wurde im alten Görlitzer Warenhaus verliehen. Nachdem sich zahlreiche nationale und internationale Nachwuchsdesigner bei einer hochkarätigen Jury um den mit 60.000 Euro dotieren Preis beworben hatten, wurde dieser Ende April im Rahmen einer großen Fashionshow verliehen. Ich habe eine Weile gebraucht, um die zahlreichen Eindrücke zu verarbeiten. Offen gestanden habe ich nicht mit soviel Diversität und kreativem Input gerechnet. Schon gar nicht in einer Stadt, die ich bisher für ein verschlafenes Nest an der Grenze zu Polen gehalten hatte.
Ich war noch nie in Görlitz. Wie schön diese Stadt ist, hat mich tatsächlich überrascht. Ich habe Kunstgeschichte studiert und kenne mich mit Architektur einigermaßen gut aus. Es ist ziemlich ungewöhnlich, eine Altstadt vorzufinden, die stilistisch mit Bauten aus der Gotik, der Renaissance und dem Barock aufwartet. Das hat damit zu tun, dass die Stadt im Zweiten Weltkrieg im Prinzip unbeschädigt blieb. Dies macht sie natürlich zum Touristenmagnet. Während sich andere Blogger mehrere Tage in Görlitz aufhielten, war ich ausschließlich am Tag der Fashion Show vor Ort. Der Tag begann mit einer sogenannten Filmtour. Was ich nicht wusste: Görlitz wird liebevoll Görliwood genannt. Eine Vielzahl von Filmen wurde – unter anderem oder hauptsächlich – dort gedreht. Dazu zählen zum Beispiel The Grand Budapest Hotel, Inglourious Basterds, Der Vorleser, Die Vermessung der Welt, Goethe und In 80 Tagen um die Welt. Jackie Chan hing an einer Hausfassade in Görlitz – skurrile Vorstellung? Neben einer herausragend schönen Architektur erfuhren wir bei der Filmtour wahnsinnig viel Spannendes. Neben Informationen zu den Filmen ranken sich auch viele Sagen um die östlichste Stadt Deutschlands. Nach einem recht langen Spaziergang durch die Kälte gab es in einem Café Suppe und Baguette. In einem kleinen Vorführraum wurden uns anschließend Ausschnitte zu den verschiedenen Filmen in Görlitz gezeigt.
So richtig satt hat die Suppe nicht gemacht, weshalb ich mit den Mädels von Kiss & Tell die polnische Seite und Zgorzelec erkundet habe. In einer Pizzeria gab es zu einem recht günstigen Preis etwas zu essen. Danach konnte man im alten Görlitzer Warenhaus ein wenig hinter die Kulissen schauen. Ich hatte in dieser Zeit einen Termin bei Diana. Ich musste mich für die Award Show umziehen und stylen, da bis dahin nur noch zwei Stunden Zeit waren. Und ohne Hotelzimmer ist das Ganze deutlich komplizierter. Um 18:30 stand ich am Einlass in einer Schlange. Das Interieur des Kaufhauses erinnerte nicht mehr an einen traditionsreichen Geschäftspalast, sondern eröffnete dem Publikum einen exklusiven Runway vor einem Treppenaufgang aus italienischem Marmor im Jugendstil. Die Veranstaltung begann mit einer Rede von Winfried Stöcker, dem Investor und Eigentümer des alten Görlitzer Warenhauses. Diese hat mich offen gestanden etwas vor den Kopf gestoßen, um nicht zu sagen nachhaltig irritiert. Rassismus und Weltmetropole Görlitz – das geht für mich nicht zusammen. Danach wurde die hochkarätige Jury vorgestellt. Zu dieser zählten unter anderem Alexander Krenn, Chefdesigner von Vivienne Westwood, Margareta van den Bosch, Creative Advisor und Chef-Designerin bei H&M Stockholm und Ann Merete Ohrt, Modeprofessorin der Königlich Dänischen Kunstakademie Kopenhagen. Dann verdunkelte sich der Laufsteg und dem Publikum wurden die elf verschiedenen Kollektionen nationaler und internationaler Nachwuchsdesigner präsentiert.
Gewinnerin Anastasia Lotikova x „Shui“
Die Weißrussin Anastasia Lotikova hat mit ihrer Kollektion „Shui“ aus recycelten Materialien den 1. Preis des Euro Fashion Awards und damit 30 000 Euro gewonnen. Die Absolventin der Hochschule für Künste Bremen beeindruckte die Jury damit, Mode und Nachhaltigkeit zu verbinden und eine „Streetwear-Version von Couture“ geschaffen zu haben. Für mich hatte die Kollektion einen sehr hohen künstlerischen Anspruch und mir war im ersten Moment klar, dass sie mit ihren Designs auf dem Treppchen landen würde. Den mit 20 000 Euro dotierten 2. Preis gewann Anna Bornhold mit ihrer Kollektion „Kiss a Frog“. Ihre Designs haben vor allem mit Detailliebe und gekonntem Handwerk überzeugt. Der 3. Preis mit 10 000 Euro ging nach Leipzig an das Label Zukker. Heike Becker, Benjamin Kräher, Sebastian Schettler haben mit ihrer Kollektion „Bergwertung“ laut Jury eine neue Eleganz zur Schau gestellt.
Nach der Verleihung stieg die Aftershowparty, an der ich leider nicht mehr teilnehmen konnte. Ich musste zurück nach Leipzig, da ich am nächsten Tag arbeiten musste. Insgesamt hat mich das Event positiv überrascht. Eine Reise nach Görlitz kann ich euch in jedem Fall ans Herz legen. Mich hat die Stadt an diesem Tag für sich gewonnen. Beschaulich und dennoch unglaublich vielseitig.
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